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Rede, gehalten von Werner Begoihn am 14. Oktober 2023 am Roten Sand

Bevor ich auf die Rolle der Häfen eingehe, einige Bemerkungen zu Bremerhaven. Die Gründung Bremerhavens wird auf 1827 datiert, demnach würde Bremerhaven bald 200. 1827 erwarb die Hansestadt Bremen auf Betreiben ihres Bürgermeisters Smidt vom Königreich Hannover Land an der Wesermündung, um dort einen Hafen bauen zu lassen, weil der in Bremen wegen der Versandung der Weser für damals große Schiffe nicht mehr erreichbar war. Das Besondere war, dass Bremen auch die Hoheitsrechte erwarb. Dieses Bremerhaven reichte von der Geeste bis zum Ende der Fußgängerzone und hatte seit 1830 einen Hafen. Seit 1845 entwickelte sich auf der anderen Geesteseite Geestemünde, das in der Bedeutung mit Bremerhaven zu konkurrieren begann. Geestemünde und Bremerhaven gehörten zu verschiedenen deutschen Ländern, erst 1938 wurden sie zur Stadt Wesermünde vereinigt.

Nach dem 2. Weltkrieg sicherten sich die USA Bremen und Bremerhaven, wie es jetzt wieder hieß, als Enklave ihrer Besatzungszone in der britischen Zone, um die Logistik für ihre Besatzungstruppen in Deutschland zu sichern und auch für den Waffenumschlag im Kalten Krieg. 2017 fanden mit dem Manöver Atlantic Resolve die bis dahin größten Militärübungen statt, mit der der Aufmarsch an der Ostgrenze der NATO geprobt werden sollte. Es sollte die Übung Defender 2020 folgen, die aber wegen Corona in ihrem Umfang eingeschränkt wurde. Air Defender 2023 fand ohne die Einbeziehung der Häfen statt. Jetzt haben wir den Ernstfall, dass unsere Häfen Teil einer Logistikkette in einem realen Krieg sind. Nach einer Meldung vom Februar dieses Jahres wurde auch in Nordenham auf der anderen Weserseite Munition von einem Schiff entladen, das anschließend militärisches Gerät in Bremerhaven löschte. Übrigens mit 289 m Länge kein ganz kleines Schiff.

Die Volksinitiative gegen Rüstungsexporte aus dem Hamburger Hafen hat versucht, ein Volksbegehren zu initiieren, das den Missbrauch des Hamburger Hafens für Rüstungsexporte verbieten wollte. Die notwendige Zahl an Unterschriften, um es einzuleiten, ist zwar zustande gekommen, der Hamburger Senat hat aber die Durchführung verboten und hat dafür vor dem Hamburger Verfassungsgericht Recht bekommen. Auch die Berufung auf den Artikel 26 des Grundgesetzes hat das Gericht nicht überzeugen können, der da lautet:

  1. Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.
  2. Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Es bleibt uns also nur der Versuch, auf die öffentliche Meinung Einfluss zu nehmen und als Multiplikatoren zu wirken.

Vielleicht helfen dazu einige Fragen.

Fragen sind erkenntnisleitend, schon Macchiavelli wusste das. Den Namen dieses Diplomaten und Staatsphilosophen vom Beginn des 16. Jahrhunderts haben die meisten wahrscheinlich schon einmal gehört. Von ihm ist das Zitat:
„Wer geschickt fragt, lenkt unsere Aufmerksamkeit auf viele Dinge und lässt uns viele andere entdecken, auf die der Befragte vielleicht niemals von selbst gekommen wäre.”
Auch Brecht wusste um die Brisanz von Fragen. In dem Stück Turandot oder der Kongress der Weißwäscher, versagen die Intellektuellen bei dem Versuch, eine Erklärung für die hohen Baumwollpreise zu finden. Ein Straßenräuber schlägt vor, das Fragen nach den Baumwollpreisen zu verbieten und erhält die Hand der chinesischen Kaisertochter. Noch ist das Fragen hierzulande erlaubt. Lasst uns das Fragen als Mittel der Meinungsbildung nutzen!

Frage:
Wie wäre die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands verlaufen, wenn die deutsche Industrie nicht billige Energie aus Russland und davor aus der Sowjetunion hätte beziehen können?
In den Medien hierzulande wird der Bezug der Energie aus Russland als Fehler gesehen, weil man sich in eine Abhängigkeit von Russland begeben habe. Gefragt wird nicht, ob die billige Energie überhaupt erst die Entwicklung Deutschlands zum ökonomisch einflussreichsten Land Europas ermöglicht hat. Und ebenfalls nicht gefragt wird, warum Deutschland im europäischen Vergleich die höchsten Energiepreise hat, wo sich doch alle auf dem Weltmarkt versorgen müssen.

Frage:
Welches Interesse hat der Westen an der Fortführung des Krieges?
Im April letzten Jahres sah es so aus, als könnten Russland und die Ukraine ein Waffenstillstandsabkommen abschließen. Die Verhandlungen scheiterten an der Haltung des Westens, wie der damalige israelische Premierminister Bennett im Februar 2023 zugab. Er hatte an den Verhandlungen als von beiden Kriegsparteien akzeptierter Vermittler teilgenommen. Ich weiß nicht, was in NATO-Kreisen verhandelt wurde und welche Erkenntnisse die Geheimdienste hatten. Ich halte mich bei meinen Vermutungen an Egon Bahrs Ermahnungen an Heidelberger Schüler und Schülerinnen. Er sagte ihnen: „In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.” So gesehen ist es vielleicht bedeutsam, dass die USA die größten Rüstungsunternehmen haben, deren Umsatz davon abhängt, dass sich die NATO-Länder bedroht fühlen und wieder mehr rüsten. In Deutschland ist es das Unternehmen Rheinmetall, das vom Ukrainekrieg profitiert.

Frage:
Was wird geschehen, wenn der Ukraine die Soldaten ausgehen?
Gegenwärtig findet ein Abnutzungskrieg statt. So bezeichnen Militärs eine Phase des Krieges, bei der es für beide Seiten nicht vorwärts geht, aber immer noch Kriegsgerät verschlissen und Munition verbraucht wird und immer noch Menschen sterben. Alle Verlautbarungen, dass der Krieg durch den Einsatz immer besserer Waffen eine überraschende Wende nehmen könnte, haben sich als Illusion erwiesen und so wird es auch bleiben. Russland hat in dieser Auseinandersetzung die größeren personellen Reserven, es wird also die ukrainische Armee sein, der die Soldaten zuerst ausgehen. Wie wird sich der Westen dann verhalten? Ist der Mehrheit der deutschen Bevölkerung überhaupt bewusst, welche Probleme und möglichweise auch Gefahren auf uns zukommen?

Frage:
Warum sollte keine Streumunition und keine Uranmunition eingesetzt werden?
Auf der Seite des auswärtigen Amts kann man lesen:
„Der Begriff Streumunition bezeichnet konventionelle Munition, die kleinere Sprengkörper - sogenannte Submunition - mit jeweils weniger als zwanzig Kilogramm Gewicht verstreut oder freigibt.”
Und weiter:
„Gefährlich ist Streumunition vor allem deshalb, da ein erheblicher Prozentsatz der Submunitionen nicht detoniert, sondern als Blindgänger vor Ort verbleibt und die Bevölkerung gefährdet. Submunitionen sind sensibel, sehr zahlreich und wegen ihrer geringen Größe schwer auffindbar. Zudem werden sie oft mit Spielzeug oder anderen Gegenständen verwechselt. Dadurch bringt Streumunition besonders die Zivilbevölkerung in Gefahr, nicht nur während des Einsatzes, sondern noch lange nach Beendigung eines militärischen Konflikts.”
Das steht also als offizielle Verlautbarung im Internet auf der Seite, die berichtet, dass Deutschland seit 2010 dem internationalen Abkommen beigetreten ist, das Streumunition ächtet und in dem es sich dazu verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass Streumunition nicht eingesetzt wird und dass es nicht über das eigene Territorium transportiert werden darf. Unterzeichnet wurde das Abkommen 2010 vom damaligen Außenminister Walter Steinmeier, der vor kurzem verlautbarte, man dürfe der USA nicht in den Arm fallen, wenn es diese Munition in die Ukraine liefere.
Uran verwendet man bei der Herstellung von Artilleriemunition, weil es spezifisch schwer und schmiedbar ist. Die daraus hergestellte Munition hat bei kleineren Abmessungen eine höhere Durchschlagskraft. Nur entsteht radioaktiver Staub, wenn die Munition detoniert. Und der wird gefährlich, wenn Menschen ihn einatmen oder verschlucken. Und er bleibt auch gefährlich, denn das sogenannte abgereicherte Uran hat eine Halbwertszeit von 4,5 Milliarden Jahren. In Serbien und im Kosovo, wo diese Munition eingesetzt wurde, haben Studien ergeben, dass die Raten an Krebserkrankungen und Missbildungen bei Neugeborenen stark zugenommen haben.
Wer solche Munition einsetzt, kann kein Freund der Ukrainer sein.

Frage:
Welchen Rang nimmt die weltweite Rüstung bei der Emission von CO2 ein?
Die mir bekannte Schätzung geht davon aus, dass Rüstung und Kriege mehr CO2 verursachen, als Indien ausstößt, und weniger als Russland.

Frage:
Was meint Frau Baerbock, wenn sie davon spricht ukrainisches Gebiet zu befreien?
Meint sie nur das Territorium oder billigt sie auch, dass die dort wohnenden Menschen vertrieben werden, die sich als Russen verstehen. Auf der Krim sind es etwa 60 % der Bevölkerung von 2 Millionen.

Eine letzte Frage:
Lassen sich die Probleme der Menschheit lösen, wenn immer mehr für die Rüstung ausgegeben wird?
Wer die Debatten im Bundestag verfolgt, kommt zu dem Schluss, dass sich schon die deutschen Probleme nicht lösen lassen.

Ich höre hier mit dem Fragen auf und zitiere noch einmal die Forderungen, die wir auf unseren Aufruf geschrieben haben:

V. i. S. d. P.: Werner Begoihn